“Elisabeth, hol mir doch bitte die Lichterbeck-Akte”, bat Carla
“Natürlich. Sofort. Aber du denkst an das Vorstellungsgespräch?”
“War das heute?”
“Carla, wo bist du nur mit deinem Kopf? Ist alle in Ordnung bei dir und Susanne?”
“Um ehrlich zu sein, nein.”
Es war das erste Mal seit Wochen, dass Elisabeth sah wie Carla ihren MontBlank- Füller aus der Hand legte und sich in die Lehne ihre Bürostuhls fallen ließ. “Möchtest du reden?”
“Ich weiß nicht, was das noch bringen soll.”
“Nun Carla, ich weiß dass du um einiges an Erfahrung reicher bist, wenn es um die Holdung geht, aber vielleicht bin ich dir in dieser Angelegenheit einen Schritt voraus.” Sie dachte zurück an das Hin und Her zwischen Arno und Johannes. Ein Gefühlschaos kann jeden einholen. Egal in welchem Alter.
“Das ist wirklich lieb, aber…”, sie brach ab.
“Die Arbeit ruft, ich weiß”, beendete Elisabeth Carlas Satz. “Aber vergiss nicht, dass ein Aufschieben keinen Zweck mehr hat, wenn das Ende so offensichtlich ist.”
“Ich weiß”, erwiderte Carla und richtete ihren Blick wieder auf die Unterlagen.
“Ich habe einen Tisch im Schneiders reservieren lassen. Für 15 Uhr. Bitte denk daran, Carla. Und ich bringe dir jetzt die Lichterbeck-Unterlagen.
“Ich werde da sein. Damit du nicht weiterhin für mich laufen muss. Auch wenn ich es bedauere, eine bessere Sekretärin hatte ich noch nie. Aber du bist eindeutig zu schade für den Aufgabenbereich.”
“Guten Tag. Ähm”, sie räusperte sich. “Ich werde erwartet von Frau Lahnstein.”
“Aber natürlich. Kommen Sie. Gräfin Lahnstein sitzt gleich hier drüben”, führte Charlie die ihr fremde Person an den Stammtisch der Lahnsteins.
“Ach ja. Gräfin. Das hatte ich beinah vergessen. Vielen Dank, dass Sie mich daran erinnern.”
“So bitte. Kann ich was zu trinken bringen?”
“Ein Wasser für mich bitte, Charlie.
“Natürlich. Und für Sie?”
“Oh. Einen Kaffee. Mit Milch bitte.”
“Sehr gerne”, antwortete Charlie und verschwand.
Carla erhob sich. “Sie müssen Frau Mann sein.”
Stella nickte. “Guten Tag, Frau von Lahnstein.” Das erste was ihr auffiel, waren diese unglaublichen Locken die Carlas Gesicht umspielten aus dem die ozeanblauen Augen hervorstachen.
“Bitte, setzten Sie sich doch.”
“Gerne.” Stella hatte alles vergessen.
“Sagen Sie mir doch bitte, warum Sie denken, dass Sie als meine Sekretärin geeignet wären.”
“Nun, ich habe schon viele Arten von Arbeiten erledigt. Ob das nun Büroarbeiten waren, oder Geschäftsabwicklungen. Ich bin viel rumgekommen, möchte aber jetzt hier in Düsseldorf seßhaft werden. Ich bin des Reisens müde. Oh nein. Das war dumm. Ich wollte sagen, ich möchte nicht mehr die ganze Zeit reisen, sondern einen geregelten Arbeitstag haben.” Stella hoffte, dass sie sich noch retten konnte. Wenn sie als Sekretärin der Leitung einer Holding nicht reisen wollen würde, könnte das unter Umständen zur Absage führen.
Carla schmunzelte über ihre Art. Erst diese gestochene Sprache und dann dieses “oh nein” erinnerte sie sehr an sich selbst, als sie noch etwas jünger war. “Nun. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Aber ich denke dennoch, dass Sie überqulifiziert sind. In erster Linie werden Sie nur dafür verantwortlich sein, dass ich meine Termine koordiniert kriege. Familie und Jobb gleichermaßen unter einen Hut bringe.” Bei dem Wort ‘Familie’ zog es sich in ihrer Brust merklich zusammen. Ein ziehen, dass nur schwer zu ignorieren war.
Stella hingegen verlor all ihren Mut. Zum Einen, weil die Gräfin eine Familie hatte und folglich einen Mann haben musste und zum Anderen weil wieder eine Absage im Anmarsch war.
“So. Ein Mal Kaffee für Sie und das Wasser für dich.” Charlie stellte die Getränke ab und verließ die beiden wieder.
Carla nahm einen tüchtigen Schluck, gar nicht wie es ihr beigebracht wurde, und wollte sich erheben.
“Bitte. Gräfin Lahnstein. Ich weiß, dass ich für diesen Job überqulifiziert scheine. Aber ich bitte Sie, mir eine Chance zu geben. Wissen Sie, ich würde mit diesen Refferenzen nicht mal eine Anstellung an einer Supermarktkasse kriegen, weil vermutlich auch Sie denken, dass ich nach zwei Monaten wieder meine Flügel ausbreite und mich das Fernweh packt.”
Carla setzte sich wieder.
“Ich bitte Sie nur, mir eine Chance zu geben. Ich möchte wirklich als Sekretärin für Sie arbeiten.”
Carla war etwas verdutzt über diese Ansage- auch weil Stella dabei ihre Hand genommen hatte. “Frau Mann, was halten Sie von einer Probezeit. Drei Monate und Sie sagen mir danach, ob Sie bleiben möchten.”
“Gerne”, antwortete Stella und lächelte ein zuckersüßes Lächeln.
“Gut, dann kommen Sie doch Morgen bitte in die Holding, damit wir den Vertrag durchgehen können. Wäre Ihnen 13 Uhr recht?”
“Natürlich. Ich werde da sein.”
“Sehr gut. Und nun müssen Sie mich leider entschuldigen. Ich haba noch einen weiteren Termin mit einem Geschäftspartner.”
“Natürlich, Frau von Lahnstein.” Stella erhob sich, weil sie dachte, es würde sich gehören, wenn eine Gräfin den Raum verlässt.
“Kann ich Sie irgendwo hin mitnehmen?”
“Wie bitte?”
“Wollen Sie nicht auch gehen?”
Stella war etwas geplättet, von dem so normalen und freundlichen Verhalten der Gräfin. Sie hatte sie sich ganz anders vorgestellt. Vielleicht etwas mehr arrogant. Aber in dem bildhübschen Gesicht von Carla konnte sie keinerlei Überheblichkeit erkennen. Als sie ihren Blick von Carlas Lippen gelöst hatte, antwortete sie mit trockener Kehle: “Nein. Danke. Ich wohne gleich hier um die Ecke.”
_________________ “If you live to be a hundred, I want to live to be a hundred minus one day so I never have to live without you.” https://www.fanfiction.net/s/8764822/1/Two-In-A-Million
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