„Guten Abend Gioseppe“, begrüße ich den Kellner herzlich. Wir kennen uns seit Jahren. Er wollte was von meiner besten Freundin, sie fand ihn zu lieb. Ich konnte das damals nicht nachvollziehen. Mittlerweile weiß ich, was sie meint.
„Ciao Sarah. Wie geht es dir. Kommt Angie auch?“
„Nein.“ Er findet sie immer noch toll. „Ich bin verabredet mit Frau Hiersche. Ich bin etwas früher dran. Man weiß ja nie, ob man hier einen Parkplatz bekommt.“
„Bist du wieder auf der Suche? Wird auch langsam Zeit.“
„Es ist geschäftlich.“
„Natürlich. Komm, ich geb euch unseren besten Tisch.“
„Danke.“ Es hat immer etwas Gutes, wenn man das Personal auch privat kennt. Allerdings glich sein Kommentar einem nicht ganz unsanften Seitenhieb.
„Darf ich dir schon etwas zu trinken bringen?“, fragt Gioseppe und deckt dabei den Tisch richtig ein.
„Ein Kölsch-Cola bitte. Du weißt, wie ich es am liebsten trinke.“
„Natürlich. 40:60- 40% Kölsch, 60% Cola.“ Er lächelt. Eine Zeit lang hat er richtig versucht sich mit mir gut zu stellen, damit ich für ihn ein gutes Wort bei Angie einlege. Leider vergebens. In Beziehungsangelegenheiten haben wir uns nie eingemischt. „Ich bringe dann die Karte, wenn deine Begleitung hier ist.“
„Es ist geschäftlich, das sagte ich bereits.“
„Ich kenne deine Geschäftstreffen. Hübsche Frauen, ledig, Mitte 30, zumeist blond, groß und schlank gewachsen, und mit einer Ausstrahlung, der kaum ein Mann widerstehen kann.“
„Du irrst. Ich muss sie für unser Online-Portal interviewen.“
„Und du hast natürlich keinerlei Hintergedanken. Welchen Wein darf ich bringen?“, antwortet er augenzwinkernd.
„Leider wird diese Person auch nach ein paar Gläschen Wein keinerlei Interesse an mir oder irgendeiner anderen Frau zeigen.“
„Ich werde dich am Ende des Abends daran erinnern.“
„Hallo“, begrüßt sie mich. „Es tut mir leid. Ich habe einfach keinen Parkplatz gefunden.“
„Ist halb so wild.“
„Ich hätte angerufen, aber…“
„Es ist wirklich nicht schlimm. Und ich habe nicht lange gewartet.“ Ich erzähle ihr jetzt nicht, dass ich schon viel früher hier war. „Was möchten Sie trinken?“
„Eine Weinschorle gönne ich mir, denke ich. Danach muss ich auf Wasser umsteigen, oder ich lasse das Auto stehen.“
„Gioseppe? Bringst du uns bitte eine Weinschorle?“
„Natürlich“, antwortet er und verschwindet lachend hinter dem Tresen. Ich möchte gar nicht wissen, was er jetzt denkt.
„Können Sie etwas empfehlen?“
„Die Penne Napoli sind grandios.“
„Das wäre eine Überlegung wert. Ich mag Penne. Die…“
„Sauen beim Essen nicht so rum, wie Spaghetti“, beende ich den Satz.
„Ja“, sagt sie zögernd. „Das wollte ich auch sagen.“
Ich lächle sie an und stecke dabei mit der linken Hand das Haar hinter mein Ohr. Für einen kurzen Moment erstarrt sie, dann fragt sie: „Möchten Sie mich gleich weiter interviewen?“
„Ich würde lieber erst essen. Ich bin halb verhungert.“
„Gerne. Mir geht es ähnlich.“
Gioseppe bringt die Weinschorle und nimmt die Bestellung auf. „Alles klar, bringe ich euch gleich. Darf es für dich noch ein Kölsch-Cola sein?“
„Gerne.“
Er zwinkert wieder so eindeutig, als er geht. Ich mag es nicht, dass er mit seiner groben Beschreibung meines Beuteschemas Recht hatte.
„Vielleicht können Sie mir ein wenig über Ihre Zeit bei Verbotene Liebe erzählen.“
„Gerne. Es war eine schöne Zeit. Schade, dass sie enden musste. Aber irgendwann hat alles einmal ein Ende und die Rolle war auserzählt.“
„Ich habe unsere kleine Pause genutzt und einen absoluten Insider befragt. Ich muss gestehen, ich selbst habe die Serie nie verfolgt. Aber laut meiner Quelle war die Rolle nicht auserzählt.“
„Für mich war sie das. Es war genug hin und her und die Rolle konnte keinen Frieden schließen mit ihrem harten Widersacher. Ich war am Ende sogar froh, dass man meiner Serienfigur noch eine neue Liebe gegeben hat und selbst die war kompliziert. Es war gut so, wie es war. Ich weiß, dass viele Foren übergelaufen sind und sich darüber aufgeregt haben, dass man den beiden Rollen kein richtiges Ende gegeben hat. Aber sie müssen auch verstehen, dass so immer wieder die Möglichkeit besteht, zurückzukehren. Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Und besonders als deutsche Schauspielerin aus einer Daily Soap hat man es schwer. Es ist auch für mich ein Hintertürchen. Und für Anne sicherlich auch, auch wenn sie als Model gut im Geschäft ist.“
„Können Sie sagen, mit wem sie am liebsten zusammen gespielt haben? Als Liebespaar, meine ich.“
„Das kann ich so pauschal wirklich nicht sagen. Die erste wirklich Liebe die Carla erleben durfte, war die mit Hanna. Das war für mich auch sehr interessant. Und mit Katharina ging das alles wie von selbst. Da gab es keine Hemmungen oder so. Wir wussten, es ist nur für die Kamera. Mit Claudia habe ich am längsten zusammengespielt. Das war irgendwann so vertraut, dass wir gar nicht mehr gemerkt haben, dass wir das alles nur spielen. Es ist verrückt, aber irgendwann waren wir an einem Punkt, da wäre es normal für uns gewesen, dass wir die Nächte beieinander verbringen. Allerdings fand ich immer, dass Carla und Susanne nicht richtig zusammenpassen. Sie waren zu verschieden. Ihre Ansichten passten selbst bei den Grundbausteinen oft nicht zusammen.“ Sie nimmt einen Schluck ihrer Weinschorle und dreht das Glas dabei leicht zwischen ihren Fingern. „Mit Anne war es wie mit einer guten Freundin. Leider hat man nur selten etwas sehen können. Der Fokus der Serie lag einfach nicht mehr auf der Rolle, was schade ist. Die Geschichte hätte mehr potential gehabt, als draus gemacht wurde. Aber da habe ich leider kein Wort mitzureden.“
„Kennen Sie ihre Fanforen?“
„Einige, ja. Es ist witzig. Nach meiner Zeit dort hatte ich so wenig zu tun, dass ich ein paar Wochen damit verbracht habe, die Reaktionen im Internet zu verfolgen. Ich hab einige Male schmunzeln müssen. Und ich habe gerne die Fanarts gelesen. Es schmeichelt mir natürlich sehr.“
„Wenn man jahrelang eine homosexuelle Frau spielt, sehen viele Regisseure und Produzenten bestimmt auch nur diese eine Schiene. Sie hatten wohl Glück.“
„Ich kann das schwer einschätzen. Ich glaube, als was bisher geschehen ist, war Glück. Jetzt kann ich nur hoffen, dass es bei den Zuschauern gut ankommt.“
„So, zwei Mal Penne Napoli, guten Appetit.“
„Danke.“
„Du sagst, wenn ihr etwas braucht.“
„Parmesan“, antworte ich nur knapp.“
„Kommt sofort.“
Ich lege die Serviette auf meinen Schoß und gönne mir noch einen Schluck Kölsch. Es duftet wieder herrlich. Und es sieht aus wie ein Kunstwerk, man mag es gar nicht zerstören. Aber der Hunger überwiegt.
_________________ “If you live to be a hundred, I want to live to be a hundred minus one day so I never have to live without you.” https://www.fanfiction.net/s/8764822/1/Two-In-A-Million
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