Kapitel 98: Zombie
Doch genauso blitzschnell hatte Ansgar ausgeholt und schlug ihm heftig ins Gesicht, so dass er taumelte, sich versuchte, festzuhalten, doch am Ende zu Boden ging. Blitzschnell schoss Dieter wieder hoch und schlug zurück, Ansgar taumelte seinerseits, fing sich aber wieder und holte erneut aus, der Blonde fiel wieder zu Boden. Ächzend versuchte er von dort, den Grafen am Bein festzuhalten um ihn damit zu stürzen, was ihm auch gelang, doch Irina hatte inzwischen eine Blumenvase von der Fensterbank genommen und ließ sie auf Dieters Kopf prallen. Sie hatte nicht nachgedacht, nicht darüber, ob sie ihn wohlmöglich tötete, denn alles was sie wollte war, dass er sie in Ruhe ließ, aus ihrem Leben verschwand. Dieter röchelte und verdrehte die Augen, dann wurde er ohnmächtig. Irina rannte dann zu dem am Boden liegenden Ansgar und half ihm auf. Er hatte eine blutende Wunde am Kinn und schwankte noch leicht. „Oh Gott, Ansgar soll ich einen Arzt rufen?“, fragte Irina besorgt, doch Ansgar schüttelte den Kopf. „Da ist doch nichts, nur ein paar Kratzer“, gab er an. „Ja, aber das muss doch..“ , begann sie. „Papperlapp, da muss gar nichts. Sag mir lieber was wir mit dem da“, er wies auf den am Boden liegenden Dieter, „machen. Verbuddeln oder du kommst mit zu mir und betrittst deine Wohnung nicht mehr. Wäre auch ne Möglichkeit.“ Ansgar versuchte zu scherzen, doch Irina sah ihn leicht missbilligend an. „Wir sollten einen Krankenwagen rufen“, schlug die Dunkelhaarige vor und wollte ihr Handy greifen. „Lass das“, sagte Ansgar und riss ihr das Telefon aus der Hand. „Das ist doch alles nicht so ganz legal was da gelaufen ist mit dir und ihm als dein – was weiß ich was der ist – auf alle Fälle lassen wir mal schön sämtliche Behörden oder Krankenhäuser da heraus.“ Ansgar war bereits dabei, den großen Mann aus der Wohnung zu ziehen als Irina ihn aufhielt. „Was hast du vor?“ „Na, was schon, den setze ich einfach ins Treppenhaus und gut. Du kommst mit zu mir lässt deine Wohnung mal ein paar Tage in Ruhe. Wenn du etwas brauchst hole ich es dir.“ Irina nickte. Sie schnappte sich ihre Tasche und als Ansgar Dieter an die Hausflurwand gelehnt hatte, ließ sie die Tür ins Schloss schnappen. Ansgar beugte sich vor und überprüfte Dieters Atem und Herzfrequenz. Beides war regelmäßig. Der Graf bemerkte, dass Dieter langsam wach wurde und zog dann Irina schnell mit sich.
Unten beim Auto angekommen musste Irina lachen. „Ich komme mir seltsam vor“, sagte sie. „Wieso?“, fragte Ansgar, der sich bemühte sich seine Schmerzen, die er verspürte, nicht anmerken zu lassen. „Wie so ein Gangsterpaar haben wir uns grade benommen.“ „Willkommen in der Welt des Ansgar von Lahnsteins“, schmunzelte Ansgar und für einen Augenblick sah er ihr tief in die Augen. Irina erwiderte seinen Blick und in diesem Moment wurde dem Grafen erneut bewusst, was er für diese Frau empfand. „Ich liebe dich“, sagte er leise und nahm ihre Hand. Sie lächelte ihn nur an. Sie musste auch nichts sagen. Der Druck ihrer Hand in seiner und der Glanz ihrer Augen als sie ihn ansah reichte ihm völlig. „Lass uns nach Hause fahren“, sagte er nur und startete den Motor.
Nervös sah er auf die Uhr. Sie hätten längst hier sein müssen. Er zog erneut an seiner Zigarette, seine Hände zitterten. Was sollte er jetzt tun? Sollte er noch warten oder sollte er seinen Plan aufgeben? Grade als er den Motor anlassen wollte, sah er zwei Personen auf den Eingang des kleinen Hotels zugehen. Die Hand ruckte wieder zurück und er duckte sich in das Sitzpolster. „Wer sagt´s denn?“, flüsterte er vor sich hin. Seine Stimme klang rau und war voller Genugtuung. Er hatte keine Gewissensbisse, keine Skrupel. Es war das was er tun musste und tun würde. Es gab keinen Zweifel. Danach würde es ihm besser gehen.
Immer wieder sah Marlene ihre Freundin von der Seite an und immer wieder blickte auch Rebecca zu der Blondine. Sie konnten sich einfach nicht auf den Film konzentrieren, wie immer, wenn sie eng aneinander gekuschelt dasaßen. Auch nach den Monaten, in denen sie nun zusammen waren, hatte das Gefühl nicht abgenommen, war sogar noch stärker geworden. Es war fast wie ein Sog, der sie immer wieder zueinander führte, egal, was sie taten oder ob der Andere in der Nähe war oder sie voneinander getrennt waren. Es war, als gäbe es eine innere Verbindung zwischen ihnen, die so stark war, dass nichts sie auseinanderbringen konnte.
„Ich möchte bald die Hochzeit feiern“, sagte Marlene unvermittelt und stoppte den Film. Rebecca sah sie überrascht an. „Wie bald?“, fragte sie. „Lass uns morgen beim Standesamt nachfragen und den nächstmöglichen Termin nehmen“, schlug sie vor. Die Dunkelhaarige grinste und stupste Marlene leicht in die Seite. „Du kannst es wohl gar nicht abwarten?“, fragte sie. „Nein, kann ich nicht. Ich habe so lange gebraucht dafür, dass ich mich zu dir bekennen konnte, ich habe so lange meine Gefühle unterdrücken müssen und wir haben so vieles zusammen durchgemacht, dass ich nicht mehr warten kann und will. Ich möchte, dass alle Welt sieht, dass wir zusammengehören und ich bin doch tief in mir drinnen das kleine Mädchen, dass auf dem Balkon steht und den Reiter auf dem Pferd entgegensieht, der sie schnappt und vom Fleck weg heiratet, oder wie ging diese Geschichte?“ Rebecca prustete los. „Nur, dass in deinem Fall der Reiter eher eine Reiterin ist und sie kommt auch nicht auf dem Pferd sondern bestenfalls auf dem Motorrad.“ Fast verschluckte sich die Gräfin an einem Chips und auch Marlene lachte laut los. „Mir egal, mir total egal, auf was du daherkommst. Du bist die Frau, mit der ich mein Leben verbringen will und ich kann es gar nicht erwarten, bis wir beide auf allen Klatschblättern der ganzen Welt um die Wette strahlen an unserem Hochzeitstag.“ „Ich dachte, wir wollten die Verpartnerung im kleinen Kreis abhalten?“, fragte Rebecca leicht irritiert. „Ja, das vielleicht schon aber deswegen darf ich doch ein kleines, ein klitzekleines Interview…“, grinste Marlene. Rebecca sah ihre kleine Diva an und zog sie dann an sich. „Ja, darfst du, du kleine launische Zicke“, flüsterte sie zärtlich und dann verschmolzen ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss.
Für einen Moment kam der Zweifel. Für einen Moment hatte er Angst. Für einen Moment wollte er einfach nur den Motor anlassen und wegfahren. Ganz weit weg. Er sah in den Rückspiegel. 'Was willst du? Willst du endlich, dass es aufhört? Dann musst du es tun?' schien sein Innerstes zu sagen. „Ich weiß nicht was richtig ist“, flüsterte er vor sich hin und vergrub sein Gesicht in den Händen um dem Anblick seines Spiegelbildes zu entgehen. 'Tu es. Tu es. Du wirst danach frei sein. Endlich frei', befahl seine innere Stimme. „Ja.“ Entschlossen richtete er sich auf. „Ja. Ich werde frei sein.“
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