"Oh mein Gott! Oh mein Gott! Sie wollen mich! Mama, ich hab die Stelle! Ich muss sofort Carla anrufen!", noch bevor meine Mama mir gratullieren konnte, legte ich auf und wählte erneut. "Hey Stella, was ist los?" "Ich hab die Stelle!" "Du...hast...was?" "Ich hab die Ausbildungsstelle. Sie wollen mich. Mich! Nicht mein Zeugnis, nicht mein abgebrochenenes Studium, sie wollen mich!" "Oh..." "Du...freust dich nicht?" "Doch. Doch. Wirklich. Aber..." "Was aber?" "Bist du sicher, dass du nach drei Tagen Probearbeiten entscheiden kannst, dass das das Richtige für dich ist? Dass es das ist, was du den Rest deines Lebens machen willst?" Carla war von Anfang an nicht begeistert gewesen. Wenn ich eine Ausbildung machen würde- so sagte sie- würden wir nichts mehr gemeinsam haben. Nichts mehr, worüber wir uns unterhalten könnten. Ich sah das anders. Gerade dann hätte man doch Gesprächsthemen, oder nicht? "Natürlich. Es ist ein Traum. Um mich herum nur Musik. Den ganzen Tag. Carla, wenn du das sehen könntest!" "Aber Stella, du hast mit der Musik gar nichts zu tun. Vielleicht langweilt es dich irgendwann." "Ich glaube dir nicht, dass du das gerade denkst." "Schön. Ich glaube, du bist zu intelligent dafür. Du kannst so viel mehr als das." "Ich bin zu intelligent dafür? Aber gleichzeitig nicht intelligent genug, um nach drei Tagen entscheiden zu können, dass es das ist, was ich will?" "So habe ich das nicht gemeint." "Doch, das hast du. Es tut mir leid, ich muss los. Ich muss los zu einem Nebenjob, für den ich wirklich zu intelligent bin." Ich legte auf und zog meinen REWE-Kittel an. Und ja, hierfür war ich wirklich zu intelligent.
"Wie geht es dir?" "Brilliant, Luna. Wirklich. Ich habe morgen ein Date. Also ein richtiges Date." "Sicher, dass es dafür nicht zu früh ist?" "Nein." "Es sind gerade mal zehn Wochen." "Richtig. Von denen ich die ersten fünf Wochen geheult hab. Danach habe ich mich leer gefühlt und jetzt will ich diese Leere wieder füllen." "Und du glaubst ein Date ist das Richtige dafür?" "Klar. Ein bisschen lachen, ein bisschen Küssen, vielleicht ein bisschen mehr." "Ganz ehrlich Stella, das bist nicht du. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann siehst du das auch." "Möglich. Aber es wird mir gut tun!"
"Wie war dein Date?" "Ein Disaster!" "Warum?" "Ich wünschte, ich wäre manches Mal ein mehr wie du, Anne." "Soll das heißen, ich gehe mit jedem ins Bett, wenn ich Single bin?" Ich lachte kurz. "Es soll heißen, dass du so etwas nur machst, wenn du wirklich bereit dafür bist und nicht weil du denkst du müsstest dich jetzt komplett neu erfinden." "Stella. Du bist verletzt. Nimm dir doch die Zeit." "Welche Zeit? Ich hatte zehn Wochen!" "Zehn Wochen im Vergleich zu fast drei Jahren. Stella. Bitte. Tu dir nicht noch mehr weh."
"Du weißt, dass ich dich liebe." Ich nickte nur. Ich wusste, wie es weitergehen würde. "Aber es ist auch klar, dass es gerade nicht weitergeht. Nicht so." Ich nickte erneut. "Ich kann gerade nicht mit dir zusammen sein, Stella. Gib uns Zeit. Zeit, wieder der Mensch zu werden, der wir mal waren. Wir haben uns so sehr verändern lassen von der Beziehung." "Okay." Sagte ich. Das war es. Mehr nicht. Ich unterdrückte die Tränen bis sich so viel Wasser angestaut hatte, dass ich es nicht mehr zurückhalten konnte. Loving you enough to let you go...
Sechs Monate waren vergangen. März 2012 "Bitte schreib mir nicht mehr. Bitte. Keine SMS und auch sonst nichts. Ich kann das alles nicht mehr." Ich war so gut mit allem klargekommen und jetzt hatte es mich wie eine Walze überrollt. Alles Gefühle waren wieder da. Nicht die guten. Nicht die Liebe- die war nie weggegangen. Aber alles anderen. Trauer. Hass. Wut. Leere. Und dann auf einmal Taubheit. "Du kannst nicht davor weglaufen. Ich habe es versucht. Du kannst gehen wohin du willst, es holt dich immer wieder ein." "Das weiß ich. Aber ich kann nicht mit dir zusammen sein. Ich denke, nein ich weiß, dass du mir wieder wehtun wirst. Wenn ich auch nur denke, dass wir wieder zusammen sein könnten, sehe ich mich im Park. Wie du mich wieder verlässt. Immer und immer wieder. Ich liebe dich so sehr, dass ich dich hab gehen lassen. Bitte lass du mich jetzt gehen. Du hast mich einmal gebrochen, tu es nicht noch mal, das überlebe ich nicht." Es waren harte Worte, aber sie waren wahr. Ich konnte nicht mehr. Ich war so weit am Ende, dass ich kaum mehr schlief, nichts mehr essen konnte ohne dass es den Rückwärtsgang einlegte. "Stella, bitte. Komm zurück, wenn du merkst, dass es nicht anders geht. Und du wirst merken, dass es anders geht. Ich weiß es. Es ist so lange her und an den Gefühlen hat sich nichts geändert. Das muss doch ein Zeichen sein." Jetzt kämpfte sie. Aber sie kämpfte um eine Person die nur noch halb existierte. "Das wird meine Entscheidung sein. Ich muss jetzt Klebeband kaufen." "Klebeband?, kam vom anderen Ende der Telefonleitung. "Um mein Herz zusammenzukleben", antwortete ich nur und legte auf.
ENDE
_________________ “If you live to be a hundred, I want to live to be a hundred minus one day so I never have to live without you.” https://www.fanfiction.net/s/8764822/1/Two-In-A-Million
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